Ein ungewöhnlicher Schriftzug

Ein Bild von einem klassischen immergrünen Stechpalmenzweig mit roten Beeren und im Hintergrund eine Kirche und Weihnachtswünsche. Ein solch freundlicher Gruß per Postkarte ist eine alte Tradition, die leider zu verschwinden scheint. Aber vielleicht kann man das ja jetzt an Ostern nachholen.

Auf der Rückseite der Karte ist eine grüne One-Cent Marke mit der Abbildung von George Washington – scheinbar stumm abgestempelt – und daneben ein sauberer handschriftliches  Schriftzug: „Radium 12/22-10 Kans(as)“. Dies deutet darauf hin, dass mehr dahinterstecken könnte als ein fehlender aussagekräftiger Stempel. Und wie so oft, hilft uns Philatelisten auch hier Google. Bald stellt sich heraus, dass es im mittleren Westen der USA im Bundesstaat Kansas eine Stadt namens Radium gibt, die am 1. Juli 2020 schlappe 25 Einwohner zählte.

Im Jahr 1904 siedelte sich hier eine Familie Wells an. Ein häufiger Name unter Einwanderern aus Großbritannien, und so erhielt die neue Stadt erst mal den Namen Wellsville. Im Jahr 1909 baute die Missouri Pacific Railroad eine neue Strecke, die auch für das neu angesiedelte Wellsville einen Aufschwung bringen sollte, dazu gehörte natürlich auch ein eigenes Postamt.

Das Problem war, dass auf der Ostseite der neuen Eisenbahnlinie bereits eine Stadt namens Wellsville existierte, so dass die “Neuen” nach einem neuen Namen suchen mussten. Sie wählten den Namen Radium. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts galt das 1896 von Pierre und Marie Curie entdeckte Element als Wundermittel mit großem Gesundheitsversprechen. In mehreren Orten der Welt wurden Städte oder Dörfer Radium genannt. Am 17. Oktober 1910 wurde dann tatsächlich das örtliche Postamt mit der ersten Postsendung per Bahn eröffnet.

Leider gab es zu dieser Zeit noch keine Poststempel und Postmeister Miles Standish und sein Assistent und Sohn Earl mussten die Post aus Radium in den ersten Monaten manuell entwerten. Vater und Sohn betrieben auch den örtlichen Lebensmittelladen und ich kann mir vorstellen, dass hier auch die lokalen Nachrichten ausgetauscht wurden. Postämter waren damals auch Treffpunkte mit sozialer Funktion, aber wie das so ist mit dem Fortschritt: auch hier verschwand das örtliche Postamt am 28. April 1990 und die lang ersehnten Stempel gingen zurück an den US-Postal Service.

Unscheinbarer Schriftzug