Letzte Woche wurde eine großangelegte Studie veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen Hörfähigkeit und dem Entstehen einer Demenz untersuchte. Hierfür wurden in Großbritannien 437704 Menschen ohne Demenz im Alter von 40-69 Jahren gebeten, eine Einschätzung ihres Hörvermögens zu geben. Dreiviertel gaben an, gut zu hören – ein Viertel gab an, unter Hörverlust zu leiden. Von diesem Viertel trugen ungefähr 10% ein Hörgerät. Nach ungefähr 12 Jahren wurden die Menschen wieder befragt und diagnostisch auf das Existieren einer Demenz befragt.

Alzheimer

Leider ist Demenz bis heute nicht heilbar (Spanien FDC 2010)

Es ist schon länger bekannt ist, dass altersbedingte Hörverminderung das Risiko für eine Demenz um ca. 8% erhöht, was auch in dieser Studie bestätigt wurde. Das bisher bekannteste höchste Risiko eines beeinflussbaren Faktors für Demenz. Ob dieses Risiko wirklich beeinflusst werden kann wurde in der vorliegenden Studie untersucht: es wurde nämlich die Hypothese erstellt, dass das Tragen eines Hörgeräts dieses Risiko senkt und somit als Demenzprävention dienen könnte. Und hier nun das Ergebnis: Patienten, die unter Hörverlust leiden, und kein Hörgerät tragen, haben ein um 42% erhöhtes Risiko, eine Demenz zu bekommen. In der Studie wurde auch gezeigt, dass dieses Risiko eindeutig mit dem Hörverlust zusammenhängt, da andere Faktoren wie Einsamkeit, soziale Isolation und depressive Symptome diesen Zusammenhang kaum beeinflussten. Es sei übrigens besonders ratsam, dem Hörverlust so früh wie möglich entgegenzuwirken. Man sollte daher – ähnlich wie man bereits früh gegen den Sehverlust Brillen trägt – auch bereits recht früh mit dem Tragen eines Hörgeräts beginnen.

Schwerhörigkeit

Der Hörverlust beginnt zumeist in den höheren Tönen, wie bei Vogelgezwitscher. Die alten Hörgeräte nutzen da leider sehr wenig. (Frankreich 2016, Malediven 1977)

Die zugrundeliegenden Mechanismen, die das Tragen von Hörgeräten mit einem geringeren Demenzrisiko verbinden, sind jedoch nach wie vor unklar. Zum einen könnte es sein, dass durch das immer anstrengender werdende Hören mehr kognitive Ressourcen verbraucht werden, die dann nicht mehr für eigentliche kognitive Aufgaben zur Verfügung stehen. Zum anderen kann der Hörverlust auch zum Verlust von Nervenzellen in den Hörzentren des Gehirns führen, die sich auch auf höhere Gehirnregionen auswirken und somit einen kognitiven Abbau bedingen. Somit könnten Hörgeräte den kognitiven Verfall verzögern, indem sie eine auditive Deprivation verhindern.

Schweigen des Alzheimers

Der kognitive Verlust ausgelöst durch den Gehörverlust kann auf das ganze Gehirn übergreifen und somit im wahrsten Sinne des Wortes die „Stille“ der Alzheimerschen Erkrankung mit begründen. (Belgien 2020; eine genauere Beschreibung der Marke finden Sie hier)

Trotz der positiven Auswirkungen nutzen die meisten Menschen mit Hörverlust leider keine Hörgeräte. Ein Hörverlust kann bereits in den 40er Jahren beginnen, und auch die Prodromalphase der Demenz – also die Phase in der die Demenz unbemerkt voranschreitet – dauert 20-25 Jahre. Diese Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit den Hörverlust über den gesamten Lebensverlauf hinweg anzugehen. Hierzu gehört es das Bewusstsein der Bevölkerung für den Zusammenhang „Hören und Demenz“ zu schärfen, Vorsorgeuntersuchungen anzubieten, aber auch den Zugang zu Hörgeräten zu verbessern, und deren Kosten zu senken.

 

Hörgeräte

Hörgeräte sind heute kaum noch im Ohr zu sehen (Vereinigte Arabische Emirate 1992)

Fan Jiang et al., Association between hearing aid use and all-cause and cause-specific dementia: an analysis of the UK Biobank cohort. The Lancet: Public Health; Open Access Published:April 13, 2023; 

DOI:https://doi.org/10.1016/S2468-2667(23)00048-8